Zusammenfassung
Das Peniskarzinom ist meist ein Plattenepithelkarzinom, das vom Epithel der Glans penis, des Sulcus coronarius oder des inneren Präputialblattes ausgeht. Die Inzidenz in Deutschland ist gering. Zu den Risikofaktoren gehören u.a. Phimose, mangelnde Genitalhygiene, chronische Entzündungen und Infektionen mit humanen Papillomaviren. Klinisch imponiert es initial oft als flächige Rötung, später als exophytischer Tumor oder Ulzeration. Die Diagnostik stützt sich auf die körperliche Untersuchung, Bildgebung und histologische Sicherung durch Biopsie. Die Therapie richtet sich nach dem Stadium und umfasst topische bis hin zu operativen Verfahren, Strahlentherapie und ggf. Chemotherapie.
Definition
- Maligner Tumor der epithelialen Oberfläche (meist Plattenepithelkarzinom) von
Epidemiologie
- Inzidenz
- Selten in Ländern mit hohen hygienischen Standards
- Deutschland (2014): 2/100.000 Männer/Jahr
- Extrem selten in Ländern mit weitverbreiteter Zirkumzision (nordafrikanische/arabische Länder, Israel; <1/1.000.000 Männer)
- Häufiger in Teilen Südamerikas, Mittel- und Südafrikas sowie Südostasiens (bis zu 10% der malignen Neoplasien bei Männern)
- Selten in Ländern mit hohen hygienischen Standards
- Alter: Neuerkrankungsraten steigen kontinuierlich mit dem Alter an
- Mittleres Erkrankungsalter: 70 Jahre
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Risikofaktoren [1][2]
- HPV-Infektion (v.a. Hochrisiko-HPV-Typen 16 und 18)
- Nicht-HPV-assoziiert
- Chronische Entzündung (Balanoposthitis, Lichen sclerosus)
- Phimose
- Mangelnde Hygiene
- Rauchen
Präkanzerosen
Klassifikation
TNM-Klassifikation des Peniskarzinoms
TNM-Klassifikation des Peniskarzinoms von 2017 [1] | ||
---|---|---|
TNM-Klassifikation | Definition | |
T - Primärtumor | ||
TX |
| |
T0 |
| |
Tis | ||
Ta |
| |
T1 |
| |
T1a |
| |
T1b |
| |
T2 |
| |
T3 | ||
T4 | ||
N – Regionäre Lymphknoten | ||
Klinisch (c) | Pathologisch (p) | |
NX |
|
|
N0 |
|
|
N1 |
|
|
N2 |
|
|
N3 |
| |
M – Fernmetastasen | ||
M0 |
| |
M1 |
|
UICC-Stadieneinteilung des Peniskarzinoms
UICC-Stadieneinteilung des Peniskarzinoms von 2017 [1] | |
---|---|
Stadium | TNM-Klassifikation |
0 | Tis, N0, M0 Ta, N0, M0 |
I | T1a, N0, M0 |
IIA | T1b, T2, N0, M0 |
IIB | T3, N0, M0 |
IIIA | T1/T2/T3, N1, M0 |
IIIB | T1/T2/T3, N2, M0 |
IV | T4, jedes N, M0 Jedes T, N3, M0 Jedes T, jedes N, M1 |
Symptomatik
- Frühstadium: Flächige, erhabene Rötung
- Späteres Stadium: Exophytisch wachsender Tumor, seltener Ulzeration
- Progression
- Infiltration von Schwellkörper und Harnröhre
- Harnverhalt
- Inguinale Lymphknotenmetastasen: Derbe, indolente Schwellungen
- Fernmetastasen: Selten
Diagnostik
Diagnostik des Primärtumors [1]
- Anamnese und körperliche Untersuchung
- Anamnese inkl. Sexualanamnese
- Inspektion und Palpation des Lokalbefundes: Erfassung von Lokalisation, Größe, Wachstumsmuster und Verschieblichkeit
- Palpation der inguinalen Lymphknoten
- Fotodokumentation
- Sonografie: Beurteilung der Infiltrationstiefe des Primärtumors
- Histologische Sicherung (obligat!)
- Indikation: Frühzeitig bei allen unklaren penilen Läsionen
- Biopsietechnik
- Punch-, Inzisions- oder Exzisionsbiopsie
- Mind. 2 getrennte, ausreichend große Biopsien aus Tumorrand und Zentrum
- Sanierende Exzisionsresektion (bspw. radikale Zirkumzision): Bei kleinen, nur auf das Präputium begrenzten Läsionen möglich
Staging
Operatives Lymphknotenstaging beim Peniskarzinom [1]
- Bei cN0
- Indikation: Immer ab pT1b (aufgrund des Risikos für Mikrometastasen)
- Verfahren (ohne Schnellschnittuntersuchung)
- Modifizierte inguinale Lymphadenektomie (medial oberflächliche und tiefe Lymphknoten) oder
- (Dynamische) Sentinel-Lymphonodektomie
- Bei cN+: Operative Entfernung aller tastbaren Lymphknoten
- Bei pN+
-
Ipsilaterale radikale inguinale Lymphadenektomie
- Bei ≥2 befallenen inguinalen Lymphknoten oder Kapselüberschreitung: Pelvine ipsilaterale Lymphadenektomie
- Kontralaterale Lymphknotendiagnostik
-
Ipsilaterale radikale inguinale Lymphadenektomie
- Bei pN+
Ausbreitungsdiagnostik (im fortgeschrittenen Stadium)
Pathologie
Lokalisation
- Meist Glans penis und distales Präputium
- Extrem selten: Schafthaut
Histologische Einteilung des Peniskarzinoms (nach WHO) [1][2]
- Nicht-HPV-assoziierte Plattenepithelkarzinome
- Plattenepithelkarzinom vom gewöhnlichen Typ (häufigster Subtyp)
- Pseudohyperplastisches Karzinom
- Verruköses Karzinom (rein verrukös oder peniles Carcinoma cuniculatum)
- Papilläres Karzinom NOS
- Adenosquamöses Karzinom
- Sarkomatoides Plattenepithelkarzinom
- Mischdifferenziertes Karzinom
-
HPV-assoziierte Plattenepithelkarzinome
- Basaloides Karzinom (papillär-basaloides Karzinom)
- Warziges (kondylomatöses) Karzinom (warzig-basaloides Karzinom)
- Klarzelliges Karzinom
- Lymphoepitheliom-ähnliches Karzinom
- Andere, seltene Karzinome
Differenzialdiagnosen
- Infektionen
- Gutartige Tumoren
- Chronische Dermatosen
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Therapie
Therapie des Primärtumors
Eine histologische Sicherung ist vor Therapiebeginn obligat. Wenn möglich, soll organ- und funktionserhaltend behandelt werden. Der Patient soll über alle therapeutischen Möglichkeiten beraten und aufgeklärt werden (insb. zu Lebensqualität, Organerhalt und lokaler Tumorkontrolle).
Nicht-invasive Tumoren (Ta, Tis, Präkanzerosen) [1][2]
- Topische Therapie
- 5-Fluoruracil oder Imiquimod (Off-Label und begrenzte Wirksamkeit): PeIN, bzw. Präkanzerosen
- Nachsorge: Kontrollbiopsie und regelmäßige langfristige Nachsorgen
- 5-Fluoruracil oder Imiquimod (Off-Label und begrenzte Wirksamkeit): PeIN, bzw. Präkanzerosen
- Lasertherapie
- CO2-Laser: PeIN, bzw. Präkanzerosen
- Nd:YAG-Laser mit Tiefenkoagulation: Ta-Tumoren
- Nachsorge: Kontrollbiopsie und regelmäßige langfristige Nachsorgen
- Operative Therapie
- Chirurgische Deepithelialisierung (Glans Resurfacing): Bei ausgedehntem CiS der Glans mit anschließender Deckung mit Spalthaut
- Radikale Zirkumzision: Bei auf das Präputium beschränkten Tumoren
Invasive, auf die Glans beschränkte Tumoren (T1 und T2) [1]
- Lasertherapie: Nd:YAG-Laser mit Tiefenkoagulation bei T1-Tumoren
- Operative Therapie
- Methoden
- Besonderheiten
- Strahlentherapie
- Brachytherapie (gleichwertig zur operativen Therapie)
- Externe Bestrahlung (niedrige lokale Kontrolle im Vergleich zur operativen Therapie)
Tumoren mit Invasion der Corpora cavernosa (T3)
- Operative Therapie
- Penisteilamputation: Therapie der Wahl
- Radikale Penektomie: Bei ausgedehntem Befall
- Lokale Strahlentherapie (als Alternative zur operativen Therapie): Vorzugsweise Brachytherapie
- Lokale Tumorkontrolle geringer als nach Penektomie
- Schlechtere Ergebnisse bei ausgedehntem Tumor
Lokale und fortgeschrittene Tumoren (T4) [1]
- Ausgedehnte operative Resektion oder
- Lokale Strahlentherapie
- Ggf. neoadjuvante Chemotherapie oder Radiochemotherapie
Therapie bei Lymphknotenmetastasen [1]
Zur Diagnostik von Lymphknoten siehe: Operatives Lymphknotenstaging beim Peniskarzinom
- Neoadjuvante Chemotherapie
- Indikation: Fixierte inguinale Lymphknoten und guter Allgemeinzustand
- Schema
- Polychemotherapie: Paclitaxel/Ifosfamid/Cisplatin oder Cisplatin/Paclitaxel/5-Fluoruracil
- Operation nach spätestens 4 Zyklen bei Ansprechen
- Adjuvante Chemotherapie erwägen
- Indikation
- Bei inguinalem pN2/pN3-Status
- pN1, ≥G2 und/oder großer Lymphknotenmetastase (≥3 cm)
- Schema
- 4 Zyklen Cisplatin/Paclitaxel/5-Fluoruracil oder
- 4 Zyklen Cisplatin/Ifosfamid/Paclitaxel
- Indikation
- Adjuvante Strahlentherapie: Erwägen bei hohem Risiko für ein Lymphknotenrezidiv (bspw. viele Lymphknotenmetastasen, extrakapsuläres Tumorwachstum)
Therapie fernmetastasierter Stadien
- Palliative Systemtherapie
- Indikation: Bei gutem Allgemeinzustand zur Lebensverlängerung und Symptomkontrolle
- Schema
- Cisplatin, Ifosfamid und Paclitaxel oder
- Cisplatin und 5-Fluoruracil
- Palliative Strahlentherapie: Bei schlechtem Allgemeinzustand oder fortgeschrittener metastasierter Erkrankung
Therapie von Rezidiven
Lokal
- Nach organerhaltender operativer Therapie: Behandlung wie Primärtumoren
- Nach Strahlentherapie: Operative Salvage-Therapie
- Nach topischer medikamentöser oder Lasertherapie: Jeweils andere Therapiemodalität
Regionäre Lymphknoten
- Nach aktiver Beobachtung (pTa, pT1aG1): Behandlung wie primäre Lymphknotenmetastasen
- Nach radikaler inguinaler Lymphadenektomie oder falsch-negativer invasiv-operativer Lymphknotendiagnostik
- Histologische/zytologische Sicherung
- Neoadjuvante Chemotherapie und operative Therapie
Nachsorge
Nachsorgeuntersuchungen und -intervalle
Untersuchung | Nachsorgeintervall | |
---|---|---|
1.–2. Jahr | 3.–5. Jahr | |
Vierteljährlich | Halbjährlich | |
Körperliche Untersuchung | ||
Ärztliche Betreuung und Beratung | ||
Schnittbilduntersuchung oder Sonografie | Bei pN1-Status im jeweiligen Intervall | |
Sonderfall: Penektomie und pN0 | Vierteljährliche klinische Untersuchung | Jährliche klinische Untersuchung |
Rezidivmuster
- >50% aller Rezidive (lokal und Lymphknoten): Innerhalb der ersten 2 Jahre
- Regionäre Lymphknotenrezidive: Meist innerhalb der ersten 1,5 Jahre
Prognose
-
5-Jahres-Überlebensrate stark stadienabhängig
- Organbegrenzte Erkrankung: 85%
- Lymphogen metastasierte Tumoren: 59%
- Fernmetastasierung: 11%
- Lymphknotenrezidiv: Schlechte Prognose
Prävention
- Zirkumzision [1]
- Gute Genitalhygiene
- HPV-Impfung von Jungen (9–14 Jahre)
Männer, die im Kindesalter beschnitten wurden, erkranken äußerst selten an einem Peniskarzinom!
Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- C60.-: Bösartige Neubildung des Penis
- C60.0: Praeputium penis
- C60.1: Glans penis
- C60.2: Penisschaft
- Corpus cavernosum
- C60.8: Penis, mehrere Teilbereiche überlappend
- C60.9: Penis, nicht näher bezeichnet
- Penishaut o.n.A.
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.