Zusammenfassung
Die infektiöse Endokarditis (IE) ist eine durch Krankheitserreger hervorgerufene Entzündung der innersten Herzschicht (Endokard), die meist bakteriell (insb. Staphylokokken, Enterokokken und orale Streptokokken) bedingt ist und mit einer hohen Letalität einhergeht. Wichtige Risikofaktoren sind u.a. eine bereits durchgemachte Endokarditis, vorbestehende Klappenfehler und intrakardiales Fremdmaterial (bspw. Klappenprothesen). Abhängig vom auslösenden Erreger reicht das klinische Bild von subakut-chronischen Verläufen mit rezidivierendem Fieber und unspezifischen Allgemeinsymptomen bis zu hochakuten, septischen Verläufen mit schwerer Herzinsuffizienz und Schocksymptomatik. Diagnostisch stehen der echokardiografische Nachweis von Vegetationen an den Herzklappen und der direkte mikrobiologische Erregernachweis mittels Blutkulturen im Vordergrund. Für die komplette Erreger-Eradikation sind neben einer i.d.R. 4–6-wöchigen parenteralen antiinfektiven Therapie in bestimmten Fällen auch chirurgische Maßnahmen erforderlich. Um diesem komplexen Krankheitsbild vorzubeugen, sollten die Richtlinien zur Endokarditisprophylaxe befolgt werden.
Du möchtest diesen Artikel lieber hören als lesen? Wir haben ihn für dich im Rahmen unserer studentischen AMBOSS-Audio-Reihe vertont. Den Link findest du am Kapitelende in der Sektion „Tipps & Links“.
Definition
- Endokarditis: Entzündung der innersten Schicht des Herzens, die insb. den Klappenapparat betrifft
- Infektiöse Endokarditis (IE): Endokarditis mit Blutstrominfektion durch mikrobielle Besiedelung
- Nicht-infektiöse Endokarditis (NIE): Sterile Endokarditis durch andere Ursachen
Epidemiologie
- Inzidenz
- Ca. 14 Fälle / 100.000 Personen / Jahr, insb. ältere Personen betroffen
- Steigender Anteil an Kunstklappenendokarditiden
- Geschlechterverteilung: ♂ > ♀
- Lokalisation: Mitralklappe > Aortenklappe > Trikuspidalklappe > Pulmonalklappe
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
Ätiologie
Risikofaktoren
Infektiöse Endokarditis - Risikofaktoren [1][3] | |
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Demografisch |
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Kardial |
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Allgemein |
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Bei bis zu 10% der infektiösen Endokarditiden liegt eine zusätzliche Spondylodiszitis vor!
Erregerspektrum
Häufigste Erreger
Infektiöse Endokarditis - Häufigste Erreger [2][3] | ||
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Nativklappenendokarditis | Kunstklappenendokarditis | CIED-assoziierte IE |
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Typische Erreger [4]
- Definition: Erreger, deren blutkultureller Nachweis stark mit einer IE assoziiert ist (≠ häufigste Erreger )
Infektiöse Endokarditis - Typische Erreger [1][2][3][4][5][6] | ||
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Erregergruppe | Haupterreger | Charakteristika |
Staphylokokken |
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Enterokokken |
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Streptokokken und streptokokkenartige Bakterien |
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HACEK |
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Bei intrakardialem Fremdmaterial ebenfalls typisch | ||
Staphylokokken |
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Mykobakterien |
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Pilze |
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Weitere |
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Atypische Erreger
- Definition: Erreger, deren blutkultureller Nachweis schwach mit einer IE assoziiert ist
Infektiöse Endokarditis - Atypische Erreger [2][3][4] | |||
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Erregergruppe | Haupterreger | Charakteristika | |
Streptokokken |
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Pilze |
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Mykoplasmen |
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Weitere | |||
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Pathophysiologie
- Risikofaktoren für IE und transiente Bakteriämie/Fungämie
- → Adhäsion von Erregern am Klappenendokard
- → Entzündungsreaktion mit Zytokinfreisetzung
- → Aktivierung von u.a. Mono- und Thrombozyten
- → Thrombusbildung
- → Adhäsion von Erregern↑ (Circulus vitiosus) mit ggf. Biofilmbildung
- → Vegetationen → Destruktion des Klappenapparats (Klappeninsuffizienz)
- → Blutstrominfektion, ggf. septische Embolien
Klassifikation
Nach betroffener Struktur
- Nativklappenendokarditis (NVE): IE, bei der die natürlichen Herzklappen betroffen sind
- Kunstklappenendokarditis (PVE): IE, bei der mechanische oder biologische Herzklappenprothesen betroffen sind
- Early Onset: ≤1 Jahr postoperativ
- Late Onset: >1 Jahr postoperativ
- CIED-assoziierte Endokarditis: IE, bei der primär intrakardiale Devices betroffen sind
- Primär Device-Sonden mit/ohne Aggregat, sekundär häufig Trikuspidalklappe betroffen
Nach Infektionsdynamik
- Endocarditis acuta: Fulminanter, aggressiver Verlauf innerhalb von Tagen
- Endocarditis lenta: Schleichender, rezidivierender Verlauf über Wochen/Monate
Nach Erregernachweis
- Kulturpositive IE: IE mit Erregernachweis in Blutkulturen
- Kulturnegative IE: IE ohne Erregernachweis in Blutkulturen trotz klinischer und histologischer Hinweise
- Epidemiologie: Bis zu 30% der Fälle! [1]
- Ursachen: Insb. antibiotische Vorbehandlung, seltener schwer kultivierbare Erreger
Symptomatik
Allgemeinsymptome (unspezifisch)
- Fieber / subfebrile Temperatur / Schüttelfrost (bei ca. 80%)
- Schwindel
- Reduzierter Allgemeinzustand, Abgeschlagenheit, Blässe
- Myalgien, Arthralgien
- Sepsiszeichen, Schockzeichen
Kardiale Symptome
- Herzgeräusch (neu oder verändert, bei ca. 65%)
- Herzinsuffizienzzeichen (bei ca. 25%)
- Tachykardie, Herzrhythmusstörungen (bspw. AV-Blöcke)
- Kardiogene Synkope, kardiogener Schock
Extrakardiale Symptome
- Hinweise auf stattgehabte Embolien (bei ca. 25%)
- Vaskuläre und immunologische Phänomene
- Unspezifisch: Petechien, Roth-Spots, Splinter-Hämorrhagien, ggf. Splenomegalie
- Spezifisch, aber selten: Janeway-Läsionen, Osler-Knötchen
- Ggf. nephrotisches Syndrom / nephritisches Syndrom bei Glomerulonephritis
- Bei CIED-assoziierter IE: Ggf. Zeichen einer Tascheninfektion
- Ggf. Hinweise auf anderen Infektfokus
Bei Fieber und/oder Sepsis unbekannter Ursache und Risikofaktoren sollte immer an eine infektiöse Endokarditis gedacht werden!
Bei älteren oder immunsupprimierten Personen fehlen oft typische Symptome wie Fieber und Schüttelfrost!
Klinischer Verlauf
Endocarditis acuta
- Akuter Beginn
- Fulminanter, aggressiver Verlauf über Tage/Wochen
- Schwere systemische Symptome
- Häufiger bei gesunden Klappen
Endocarditis lenta
- Schleichender Beginn
- Rezidivierender Verlauf über Wochen/Monate
- Häufig unspezifische Grippesymptomatik
- Häufiger bei vorgeschädigten Klappen
Diagnostik
Allgemeines Vorgehen
- Niederschwellig Verdachtsdiagnose stellen (bei klinischen Hinweisen und Risikofaktoren)
- Mind. 3 Paar Blutkulturen abnehmen
- Vor Beginn der Antibiotikatherapie
- Ausreichend Volumen (insg. ≥40–60 mL)
- Unabhängig von Fieberspitzen
- TTE, TEE und EKG durchführen
- Modifizierte Duke-Kriterien anwenden
- Ggf. erweiterte Diagnostik durchführen (bspw. Serologie/PCR, FDG-PET/CT )
- Fall frühzeitig im Endokarditis-Board vorstellen / Infektiologie involvieren
- Bei gesicherter IE regelmäßige Verlaufsdiagnostik anordnen
Die Verdachtsdiagnose infektiöse Endokarditis sollte niederschwellig gestellt und die entsprechende Diagnostik frühzeitig eingeleitet werden!
Basisdiagnostik
Klinische Diagnostik
- Anamnese
- Aktuelle Symptomatik
- Risikofaktoren für IE
- Antibiotische Vorbehandlung
- Körperliche Untersuchung
- Inspektion: Gesamtes Integument , Zahnstatus
- Auskultation: Herz, Lunge
- Orientierende neurologische Untersuchung
Labordiagnostik
- Routinelabor
- Blutkulturen: Mind. 3 Paar (aerob/anaerob)
- Zeitpunkt: Vor Beginn einer antiinfektiven Therapie
- Lokalisation: Punktion einer(!) peripheren Vene (keine Abnahme aus liegenden Kathetern )
- Blutvolumen: 10 mL/Flasche
- Erfolgsquote: Erregernachweis in ca. 60–70% der Fälle
- Bei Erregernachweis: Resistenzbestimmungen/Antibiogramm
- Intervall: Im Abstand von jeweils 30 min
Bei der Abnahme von Blutkulturen ist eine ausreichende Gesamtblutmenge essenziell, um die Erregernachweisrate zu optimieren!
Blutkulturen sollten nicht aus liegenden Kathetern abgenommen werden!
Echokardiografie
- TTE und TEE, ggf. Wiederholung nach 5–7 Tagen
- Vorteile
- Sensitivität/Spezifität gut bei NVE, akzeptabel bei PVE und CIED-assoziierter IE (TEE > TTE)
- Gute Beurteilung von Klappenfunktion, Einschätzung der biventrikulären Funktion
- Schnell und auch bei hämodynamischer Instabilität einsetzbar
- Keine Strahlenbelastung
- Nachteile
- Vorderwand und RVOT nur eingeschränkt beurteilbar
- Geringe Sensitivität bzgl. paravalvulärer Läsionen (insb. bei PVE) und bei CIED-assoziierter IE
- Keine Darstellung peripherer Komplikationen/Infektfokusse
- TEE: Eingriffspezifische Risiken
Endokarditistypische Befunde in der Echokardiografie | |
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Klappenpathologien | |
Segelverdickung |
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Vegetationen |
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Segelperforation |
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Klappeninsuffizienz |
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Paravalvuläre/-prothetische Komplikationen | |
Abszess |
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Pseudoaneurysma |
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Fistel |
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Klappenprothesendehiszenz |
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Bei jeder Person mit begründetem V.a. Endokarditis sollte eine TEE durchgeführt werden!
EKG
- Ruhe-EKG: Zum Ausschluss von Störungen der Erregungsweiterleitung (insb. AV-Blöcke/Schenkelblöcke)
Modifizierte Duke-Kriterien
Kriterien
Modifizierte Duke-Kriterien (nach ISCVID 2023) [4][8] | ||
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Klinisch | ||
Major-Kriterien | ||
Mikrobiologie |
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Bildgebung |
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Chirurgie |
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Minor-Kriterien | ||
Risikofaktoren | ||
Allgemeinsymptome |
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Vaskuläre Phänomene |
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Immunologische Phänomene |
| |
Mikrobiologie |
| |
Bildgebung | ||
Körperliche Untersuchung |
| |
Pathologisch | ||
Gewebeuntersuchung |
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Interpretation
Interpretation der modifizierten Duke-Kriterien (nach ISCVID 2023) [4] | ||
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Beurteilung | Kriterien | Konsequenzen |
IE gesichert |
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IE möglich |
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IE unwahrscheinlich |
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Erweiterte Diagnostik
Labordiagnostik [3]
- Indikation: (V.a.) kulturnegative IE
Erweiterte Labordiagnostik bei V.a. kulturnegative infektiöse Endokarditis | |||||
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Erreger | Methode | ||||
Serologie | rRNA-Sequenzierung | Gewebekulturen | (Immun‑)Histologie | Verlängert inkubierte Blutkulturen | |
Coxiella burnetii | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | — |
Bartonellen | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ |
Brucellen | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ |
Legionellen | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ |
Mykoplasmen | ✓ | ✓ | ✓ | ✓ | — |
Tropheryma whipplei | — | ✓ | — | ✓ | — |
Pilze | ✓ | ✓ | — | — | ✓ |
Mykobakterien | — | ✓ | — | — | ✓ |
Bildgebung [3]
Kardio-CT
- Indikationen
- Gesicherte IE
- Ausschluss von Komplikationen
- Beurteilung der anatomischen Verhältnisse vor kardiochirurgischem Eingriff
- Mögliche IE: Diagnosebestätigung
- Gesicherte IE
- Vorteile
- Sehr gute Sensitivität bzgl. paravalvulärer Läsionen
- Schnell und auch bei hämodynamischer Instabilität einsetzbar
- Nachteile
- Geringe Sensitivität bzgl. Vegetationen <10 mm
- Begrenzte Beurteilbarkeit von CIED-assoziierter IE und Tascheninfektionen
- Keine Aussagekraft über Klappenfunktion
- Strahlenbelastung
Endokarditistypische Befunde in der Kardio-CT | |
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Klappenpathologien | |
Segelverdickung |
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Vegetationen |
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Segelperforation |
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Paravalvuläre/-prothetische Komplikationen | |
Abszess |
|
Pseudoaneurysma |
|
Fistel |
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Klappenprothesendehiszenz |
|
Ganzkörper- und/oder cCT
- Indikationen
- Gesicherte IE / mögliche IE und entsprechende Symptomatik: Ausschluss peripherer septischer Embolien
- Mögliche IE: Ausschluss eines anderen infektiösen Primärfokus
- Unwahrscheinliche IE: Suche nach Alternativdiagnose
- Vorteil: Schnell und auch bei hämodynamischer Instabilität einsetzbar
- Nachteil: Strahlenbelastung
18FFDG-PET/CT
- Indikationen
- Mögliche PVE / mögliche CIED-assoziierte IE: Diagnosebestätigung
- Gesicherte IE / mögliche IE und entsprechende Symptomatik: Ausschluss peripherer septischer Embolien
- Vorteile
- Sehr gute Sensitivität bzgl. PVE / CIED-assoziierter IE [2]
- Gute Sensitivität bzgl. paravalvulärer/-prothetischer Läsionen
- Nachteile
- Geringe Sensitivität bzgl. NVE und Vegetationen <5 mm
- Keine Aussagekraft über Klappenfunktion
- Beeinflusst von Dauer der antiinfektiven Therapie
- Ungeeignet bei hämodynamischer Instabilität
- Befundinterpretation nur mit spezifischer Expertise
- Strahlenbelastung
SPECT/CT
- Indikation: Mögliche PVE und FDG-PET nicht verfügbar: Diagnosebestätigung
- Vorteile
- Sehr gute Spezifität für IE
- Gute Sensitivität und Spezifität bzgl. Tascheninfektionen bei CIED-assoziierter IE
- Nachteile
- Eingeschränkte Aussagekraft bei eitrigen Infektionen
- Geringe Sensitivität bzgl. NVE und kleinen Vegetationen
- Befundinterpretation nur mit spezifischer Expertise
- Strahlenbelastung
Ganzkörper-/cMRT
- Indikationen
- Gesicherte IE / mögliche IE und entsprechende Symptomatik: Ausschluss peripherer septischer Embolien
- Mögliche IE: Ausschluss eines anderen infektiösen Primärfokus
- Unwahrscheinliche IE: Suche nach Alternativdiagnose
- Vorteile
- Gute Sensitivität bzgl. septischer Embolien
- Keine Strahlenbelastung
- Nachteil: Eingeschränkt geeignet bei Personen mit CIED
Verlaufsdiagnostik
Labordiagnostik
- Routinelabor: Initial täglich, anschließend abhängig vom klinischen Zustand
- Blutkulturen: Initial bspw. alle 2–3 Tage 1–2 Paar (aerob/anaerob) bis zur 1. negativen Blutkultur
Echokardiografie
Pathologie
- Endocarditis ulcerosa: Makroskopisch sichtbare Zerstörung des Klappenapparates (i.d.R. bei Endocarditis acuta)
- Endocarditis polyposa/ulceropolyposa: Große wulstige Klappenauflagerungen (i.d.R. bei Endocarditis lenta)
Differenzialdiagnosen
Infektiologisch
- Blutstrominfektion mit anderem Fokus (mit/ohne Sepsis), bspw.
- Katheterassoziierte Infektion
- Pneumonie
- Urogenitale Infektionen
- Abdominelle Infektionen (bspw. Cholangitis, Divertikulitis mit/ohne Peritonitis)
- Wundinfektionen
- Osteomyelitis, septische Arthritis
- Bakterielle Meningitis
- Haut- und Weichteilinfektionen (bspw. Erysipel, Phlegmone)
- Andere kardiologische Infektionskrankheiten, bspw.
Nicht-infektiologisch
- Nicht-infektiöse Endokarditis
- Klappenprothesenthrombose
- Immunologische Erkrankungen (bspw. SLE, Antiphospholipid-Syndrom, Vaskulitiden)
- Malignome
AMBOSS erhebt für die hier aufgeführten Differenzialdiagnosen keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Nicht-infektiöse Endokarditis
- Definition: Sterile Entzündung der innersten Schicht des Herzens
- Synonyme
- Epidemiologie
- Ätiologie: Sekundär im Rahmen von
- Malignomen (am häufigsten)
- Immunologischen Erkrankungen
- SLE / andere Kollagenosen: Libman-Sacks-Endokarditis
- Antiphospholipid-Syndrom
- Hypereosinophiles Syndrom: Löffler-Endokarditis
- Rheumatisches Fieber
- Weiteren Erkrankungen: Verbrennungen, COVID-19
- Pathophysiologie
- Prädisponierende Faktoren → Bildung steriler Vegetationen/Thromben im Bereich der Herzklappen → Systemische Embolien
- Symptomatik
- Hinweise auf embolische Ereignisse (insb. ischämischer Schlaganfall, häufig)
- Fieber, Herzgeräusch (neu oder verändert, selten)
- Ggf. Symptome der zugrundeliegenden Erkrankung
- Diagnostik
- Differenzialdiagnose: Endokardfibrose bei Karzinoid-Syndrom
- Therapie: Kein einheitliches Vorgehen
- Behandlung der Grunderkrankung
- Therapeutische Antikoagulation
- Chirurgische Therapie analog zu Empfehlungen bei IE (siehe: Chirurgische Therapie bei IE)
- Prognose: Letalität ca. 30%
Mischformen von infektiösen und nicht-infektiösen Endokarditiden sind möglich!
Klappenprothesenthrombose
- Definition: Thrombotische Auflagerung(en) auf einer Klappenprothese mit i.d.R. konsekutiv eingeschränkter Funktion
- Epidemiologie
- Inzidenz: Ca. 2–30/1.000/y
- Lokalisation: Trikuspidalklappe > Mitralklappe > Aortenklappe > Pulmonalklappe
- Ätiologie/Risikofaktoren (Auswahl)
- Prothesenbezogen
- Mechanische Prothesen
- Trikuspidal- oder Mitralklappenposition
- Inkomplette Endothelialisierung
- Z.n. IE
- Personenbezogen
- Subtherapeutische Antikoagulation
- Hyperkoagulabilität (primär oder sekundär )
- Hochgradig eingeschränkter kardialer Auswurf
- Prothesenbezogen
- Pathophysiologie
- Körperfremde Oberflächen → Thrombozytenadhäsion, Komplementaktivierung, Thrombinbildung → Fibrinschicht → Neointima (nach ca. 3 Monaten) → Prothesendysfunktion
- Prothesendysfunktion + Risikofaktoren → Risiko↑ für Thrombusbildung
- Symptomatik: Akut oder subakut
- Dyspnoe bzw. Herzinsuffizienzzeichen
- Herzrhythmusstörungen
- Hinweise auf embolische Ereignisse (arteriell oder venös)
- Diagnostik
- Komplikationen: U.a. Herzinsuffizienz, thromboembolische Ereignisse
- Therapie: Abhängig von der klinischen Situation i.d.R.
- Therapeutische Antikoagulation
- Thrombolyse
- Chirurgischer Klappenersatz
Therapie
Grundsätze
- Management: Interdisziplinär (Endokarditis-Team)
- Phasen
- Kritische Frühphase (1.–2. Woche, immer stationär)
- Initial umgehend kalkulierte antiinfektive Therapie bei IE (i.v.)
- Bei Erregernachweis gezielte antiinfektive Therapie bei IE (i.v.)
- Ggf. herzchirurgischer Eingriff
- Konsolidierungsphase (3.–6. Woche, stationär oder ambulant)
- Kritische Frühphase (1.–2. Woche, immer stationär)
Antiinfektive Therapie
Kalkulierte Therapie
Infektiöse Endokarditis - Kalkulierte antiinfektive Therapie [3] | |||
---|---|---|---|
Klinische Situation | Standardtherapie | Alternative bei Penicillinallergie | |
NVE | Ambulant erworben | + Ceftriaxon oder Flucloxacillin + Gentamicin1 | Cefazolin oder Vancomycin + Gentamicin1 |
Nosokomial/Healthcare-assoziiert | Vancomycin oder Daptomycin + Gentamicin1 + | — | |
<12 Monate nach OP | |||
≥12 Monate nach OP | + Ceftriaxon oder Flucloxacillin + Gentamicin1 | Cefazolin oder Vancomycin + Gentamicin1 | |
1Der Einsatz von Gentamicin sollte insb. bei nierenkranken oder älteren und multimorbiden Personen kritisch hinterfragt werden. |
Gezielte Therapie
Staphylokokken
Staphylokokken-Endokarditis - Gezielte antiinfektive Therapie [3] | ||
---|---|---|
Klappentyp | Resistenzprofil | Standardtherapie |
NVE | Methicillin-sensibel | Cefazolin oder Flucloxacillin |
Methicillin-resistent | ||
PVE | Methicillin-sensibel | Cefazolin oder Flucloxacillin + + Gentamicin1 |
Methicillin-resistent | + + Gentamicin1 | |
1Der Einsatz von Gentamicin sollte insb. bei nierenkranken oder älteren und multimorbiden Personen kritisch hinterfragt werden. |
Viridans-Streptokokken, Strep. gallolyticus
Streptokokken-Endokarditis - Gezielte antiinfektive Therapie [3] | |||
---|---|---|---|
Klappentyp | Resistenzprofil | Standardtherapie | Alternative bei Penicillinallergie |
NVE | Penicillin-sensibel | Penicillin G oder Amoxicillin oder Ceftriaxon | |
Alternative bei unkompliziertem Verlauf und normaler Nierenfunktion: Penicillin G oder Amoxicillin oder Ceftriaxon + Gentamicin1 | |||
Penicillin-resistent | Penicillin G oder Amoxicillin oder Ceftriaxon + Gentamicin1 | ||
PVE | Penicillin-sensibel | Penicillin G oder Amoxicillin oder Ceftriaxon | |
Penicillin-resistent | Penicillin G oder Amoxicillin oder Ceftriaxon + Gentamicin1 | + Gentamicin1 | |
1Der Einsatz von Gentamicin sollte insb. bei nierenkranken oder älteren und multimorbiden Personen kritisch hinterfragt werden. |
Enterokokken
Enterokokken-Endokarditis - Gezielte antiinfektive Therapie [3] | |
---|---|
Resistenzprofil | Standardtherapie |
β-Lactam- und Aminoglykosid-sensibel | Ampicillin oder Amoxicillin + Ceftriaxon oder Gentamicin1 |
Aminoglykosid-resistent (HLAR ) | Ampicillin oder Amoxicillin + |
β-Lactam-resistent | + Gentamicin1 |
Vancomycin-resistent | + Ampicillin oder Ertapenem oder Ceftarolin oder Fosfomycin |
1Der Einsatz von Gentamicin sollte insb. bei nierenkranken oder älteren und multimorbiden Personen kritisch hinterfragt werden. |
Seltene Erreger
Infektiöse Endokarditis durch seltene Erreger - Gezielte antiinfektive Therapie [3] | |
---|---|
Erreger | Therapievorschlag |
HACEK | |
Coxiella burnetii | + |
Brucellen | + + |
Bartonellen | + Gentamicin1 |
Legionellen | oder + |
Mykoplasmen | |
Tropheryma whipplei | + |
1Der Einsatz von Gentamicin sollte insb. bei nierenkranken oder älteren und multimorbiden Personen kritisch hinterfragt werden. |
Oralisierung
Voraussetzungen
- Sensible Erreger (Staph. aureus, Streptokokken, CoNS oder Enterococcus faecalis)
- Kontrollierte Infektion
- >2 Tage kein Fieber und
- CRP <25% des Maximalwerts oder <20 mg/L und
- Leukozyten <15.000/μL
- Ausschluss neuer OP-Indikation (mittels TEE)
- Ausschluss anderer Indikationen für parenterale Therapie (z.B. BMI >40, Resorptionsstörung)
Therapieschemata
Infektiöse Endokarditis - Therapieschemata zur Oralisierung | ||
---|---|---|
Erreger | Resistenzprofil | Therapievorschlag |
Staph. aureus, CoNS | Penicillin- und Methicillin-sensibel | |
Methicillin-sensibel | ||
CoNS | Methicillin-resistent | Linezolid + Fusidinsäure |
Streptokokken | Penicillin-sensibel | |
Penicillin-resistent | ||
E. faecalis | — |
Chirurgische Therapie
Indikationen
- Herzinsuffizienz
- Unkontrollierte Infektion
- Hohes Risiko für septische Embolien
Herzinsuffizienz
- Notfall-OP
- Dringliche OP : Neue Herzinsuffizienz (NYHA II–III) und ≥1 der folgenden Kriterien
- Echokardiografische Zeichen einer hämodynamischen Beeinträchtigung
- Große Vegetationen
- Hochgradige Klappeninsuffizienz
- Elektive OP : Neue Herzinsuffizienz ohne Erfüllen der o.g. Kriterien
Bei infektiöser Endokarditis mit neuer Herzinsuffizienz ist alleinig die chirurgische Therapie überlebensverlängernd!
Unkontrollierte Infektion
- Dringliche OP
- Persistierend positive Blutkulturen >1 Woche oder persistierende Sepsis
- Vegetationsgröße↑, Abszess, Pseudoaneurysma/Fistel oder neuer AV-Block
- IE durch multiresistenten Staph. aureus (bspw. MRSA)
- PVE durch Staph. aureus oder nicht-HACEK-gramnegative Erreger
- Elektive OP
- IE durch Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) oder Pilze
- NVE durch nicht-HACEK-gramnegative Erreger
- PVE ≤6 Monate nach OP ohne Nachweis der. o.g. Erreger
Hohes Risiko für septische Embolien
- Dringliche OP : Vegetationen ≥10 mm an Aorten- oder Mitralklappe mit
- Z.n. embolischem Ereignis
- Zusätzlicher herzchirurgischer Indikation
Ablauf [3]
- Allgemeines Prinzip
- Komplette Entfernung von infektiösem Material
- Klappenersatz oder rekonstruktive Therapie betroffener Klappen
Präoperative Maßnahmen
- Unveränderte Fortführung der Antiinfektivatherapie
- Risikostratifizierung: Darstellung der Koronarien
- Indikationen
- Männer >40 Jahre
- Frauen nach der Menopause
- ≥1 Risikofaktor für KHK
- Untersuchung: Koronarangiografie oder Kardio-CT
- Indikationen
- OP-Planung
- Auswahl der OP-Technik (Rekonstruktion vs. Klappenersatz) u.a. abhängig von
- Betroffener Klappe
- Ausmaß der Klappendestruktion
- Infektionsdynamik
- Patienteneigenschaften
- Bei Klappenersatz: Auswahl der Prothese (biologisch vs. mechanisch) u.a. abhängig von
- Stattgehabtem Schlaganfall und/oder Blutungsereignissen
- Voraussichtlichem postoperativen Verlauf
- Patienteneigenschaften
- Patientenwillen (sofern eruierbar)
- Auswahl der OP-Technik (Rekonstruktion vs. Klappenersatz) u.a. abhängig von
Intraoperative Maßnahmen
- Unveränderte Fortführung der Antiinfektivatherapie, ggf. zusätzlich intraoperative Antibiotikaprophylaxe
- Begleitende TEE
- Bei Komplikationen (bspw. Abszess, Pseudoaneurysmen) ggf. Einsatz von Gefäßprothesen
- Entnahme von Gewebeproben für Mikrobiologie, Pathologie und Molekularbiologie
Postoperative Maßnahmen
- Ggf. Anpassung der antiinfektiven Therapie
- Ggf. Anpassung der Antikoagulation/Plättchenhemmung
Postoperative Komplikationen
- Koagulopathie
- Blutung/Perikardtamponade
- Akute Nierenfunktionseinschränkung
- Ischämischer/hämorrhagischer Schlaganfall
- Pulmonale Komplikationen
- Low-Cardiac-Output-Syndrom
- Permanente Schrittmacherabhängigkeit
Ergänzende Maßnahmen
Fokussanierung
- Gesamten Körper (wiederholt) auf mögliche Eintrittspforten / andere Infektfokusse untersuchen
- Frühzeitig Rücksprache mit anderen Fachrichtungen halten, insb.
- Zahnärztliches Konsil bei schlechtem Zahnstatus und/oder entsprechenden Symptomen
- Spinalchirurgisches Konsil bei V.a. begleitende Spondylodiszitis
- Sämtliche Gefäßzugänge kritisch auf ihre Notwendigkeit hin überprüfen
- Nicht benötigte Zugänge konsequent entfernen
- „Plastikwechsel“: Dringend benötigte Zugänge unter Beachtung der Hygienevorschriften neu legen, alte entfernen
Bei infektiöser Endokarditis sollten alle nicht benötigten Gefäßzugänge entfernt und alle dringend benötigten Gefäßzugänge großzügig gewechselt werden!
Therapie von Komplikationen [3]
- Sepsistherapie
- Herzinsuffizienztherapie
- Schrittmachertherapie bei höhergradigem AV-Block und ≥1 Hinweis für Persistenz
- Therapie septischer Embolien
- Schlaganfalltherapie (ischämisch/hämorrhagisch)
- Ggf. Splenektomie bei Milzinfarkt
- Ggf. Spinalchirurgie bei komplizierter Spondylodiszitis
- Ggf. (intermittierende) Hämodialyse bei Nierenversagen
- Bei Klappenchirurgie: Therapie postoperativer Komplikationen (siehe auch: Chirurgische Therapie bei IE)
Antikoagulation/Plättchenhemmung [3]
- Keine gesonderten Empfehlungen aufgrund fehlender Daten
- Allgemeingültige Empfehlungen
- Bei schwerer Blutung bestehende Antikoagulation pausieren
- Bei absehbar notwendiger Chirurgie und bestehender OAK ggf. frühzeitig auf parenterale Antikoagulanzien wechseln
Eine infektiöse Endokarditis allein ist keine hinreichende Indikation für eine Antikoagulation/Plättchenhemmung!
Das Management einer Antikoagulation/Plättchenhemmung sollte individuell im Endokarditis-Team besprochen werden!
Komplikationen
Kardiale Komplikationen
- Herzinsuffizienz, kardiogener Schock
- Erregungsleitungsstörungen (insb. AV-Blöcke)
- Paravalvuläre Abszesse
- (Pseudo‑)Aneurysmen
- Perforationen, Fisteln
- Klappenthrombose, Klappenprothesenthrombose
Extrakardiale Komplikationen
- Sepsis / septischer Schock
-
Septische (Mikro‑)Embolien mit
- Infarkten (bspw. Schlaganfall, Lungeninfarkt, Milzinfarkt, Niereninfarkt)
- Abszessen (bspw. Hirnabszess)
- Immunologische Prozesse: Insb. Glomerulonephritis mit/ohne eingeschränkte Nierenfunktion
- Hämatogene Streuung mit Beteiligung anderer Organe, bspw.
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Prävention
Allgemeine Maßnahmen
- Indikation: Personen mit erhöhtem Risiko für eine IE
- Maßnahmen
- Zahnhygiene: 2× täglich Zähneputzen, 1–2×/Jahr professionelle Zahnreinigung
- Hauthygiene inkl. Therapieoptimierung chronischer Hautkrankheiten
- Wunddesinfektion
- Konsequente Antibiotikatherapie bei bakteriellen Infektionen
- Striktes Einhalten von Hygienevorschriften bei risikoreichen Prozeduren
- Verzicht auf Piercings/Tattoos
- Minimierung invasiver Maßnahmen (inkl. Gefäßzugänge )
Nicht benötigte Gefäßzugänge sollten konsequent entfernt werden, um Blutstrominfektionen vorzubeugen!
Antibiotische Endokarditisprophylaxe [3]
- Indikation: Personen mit ≥1 Hochrisikofaktor für IE und geplanter Prozedur mit erhöhtem Risiko für IE
- Maßnahme: Geeignetes Antibiotikum als Einzelgabe 30–60 min vor der Prozedur
- Mögliche Wirkstoffe
- Alternativen bei Penicillinallergie
Personen mit erhöhtem Risiko für infektiöse Endokarditis
- Hochrisikofaktoren für IE
- Z.n. IE
- Klappenprothesen
- Fremdmaterial zur Klappenrekonstruktion
- Weiteres intrakardiales Fremdmaterial ≤6 Monate nach OP
- Septum- und LAA-Okkluder
- Gefäßprothesen
- Vena-cava-Filter
- Ventrikulo-atrialer Shunt
- Angeborene Herzerkrankungen inkl. EMAH mit
- Unbehandelten zyanotischen Herzfehlern
- Intrakardial verbliebenen palliativen Shunts, Conduits oder Prothesen
- Z.n. operativer Korrektur ohne Prothesen oder verbleibende Defekte für ≤6 Monate nach OP
- Mechanische Kreislaufunterstützung als Destination Therapy
- Intermediäre Risikofaktoren für IE
Prozeduren mit erhöhtem Risiko für infektiöse Endokarditis
- Zahnextraktionen
- Oralchirurgische Eingriffe
- Eingriffe mit Manipulation an der Gingiva oder der periapikalen Zahnregion
- Ggf. weitere invasive Eingriffe in
- Respirationstrakt
- Gastrointestinaltrakt
- Urogenitaltrakt
- Haut
- Muskuloskelettalsystem
Prognose
- 5-Jahresüberleben: Ca. 70–80%
- Letalität: Ca. 30%
- Rezidivrate: Ca. 2–9%
Studientelegramme zum Thema
- Studientelegramm 69-2019-3/3: ACC Rückblick III: Langzeitergebnisse der POET-Studie
- Studientelegramm 63-2019-1/3: Game Changer #1? Orale Antibiotikatherapie bei Endokarditis
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Kodierung nach ICD-10-GM Version 2025
- I33.-: Akute und subakute Endokarditis
- Exklusive: Akute rheumatische Endokarditis (I01.1), Endokarditis o.n.A. (I38)
- I33.0: Akute und subakute infektiöse Endokarditis
- Endokarditis (akut) (subakut):
- Lenta
- Ulcerosa
- Endokarditis (akut) (subakut):
- Bakteriell
- Infektiös o.n.A.
- Maligne
- Septisch
- Endokarditis (akut) (subakut):
- I33.9: Akute Endokarditis, nicht näher bezeichnet
- Endokarditis
- Myoendokarditis
- Periendokarditis
- I38: Endokarditis, Herzklappe nicht näher bezeichnet
- Inklusive: Endokarditis (chronisch) o.n.A.
-
Herzklappen
- Insuffizienz
- Stenose
- Valvulitis (chronisch)
- Jeweils:
- Nicht näher bezeichnete Herzklappe
- O.n.A. oder näher bezeichnete Ursache
- Ausgenommen rheumatisch oder angeboren
- Exklusive: Angeborene Herzklappeninsuffizienz, Klappe nicht näher bezeichnet (Q24.8), Angeborene Herzklappenstenose, Klappe nicht näher bezeichnet (Q24.8), Als rheumatisch bezeichnet (I09.1), Endokardfibroelastose (I42.4)
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2025, BfArM.